Basler Pop-Preis
Die Nominierten: Anna Aaron
bâlusique: Wenn du ein Getränk wärst, was wärst du?
Bubble Tea.
Welches Kleidungsstück beschreibt deinen aktuellen Sound am besten?
Das Faux Fur Heart Jacket von Jacqueline Loekito, das ich auf dem Albumcover trage. Jacqueline Loekito ist eine in Basel lebende Designerin und ich finde ihre Arbeit sehr inspirierend.
Mit welchem Ort in Basel identifizierst du dich am meisten?
Mit dem Kleinbasel.
Was ist dein liebster Ausgangsspot in Basel?
Es gibt verschiedene, ich könnte jetzt nicht einen einzigen Ort nennen. Ich hoffe, dass es einen Wurm 2 geben wird.
Was war der schönste Moment, den du bisher in deiner Karriere erleben durftest?
Ich sage dann immer, dass der schönste Moment und der grösste Erfolg das Musikschreiben selbst ist.
Du hast erst gerade ein neues Album herausgebracht. Welche Inspirationen flossen in «Gummy» mit ein?
Einerseits Menschen, die mich geprägt haben; andererseits Filme, die ich gesehen habe. Zum Beispiel «The Florida Project» von Sean Baker, «Gummo» von Harmony Korine und «Twin Peaks» von David Lynch.
Unter anderem mit dem von dir gegründeten Label Bambient Records nimmst du selbst eine aktive Rolle in der Förderung der Basler Musik- und Kulturlandschaft ein. Was erhoffst du dir von der Basler Musikszene in den kommenden Jahren?
Ich wünsche mir Safe Spaces in der Clubszene und dass Flinta-Personen gefördert und ermutigt werden, sich musikalisch und künstlerisch auszudrücken.
Wie würde das Preisgeld des Basler Pop-Preises deine zukünftigen Projekte beeinflussen?
Das Preisgeld des Basler Pop-Preises würde die Produktion eines neuen Albums ermöglichen - entweder für das Projekt delphi oder das Projekt Anna Aaron - oder es könnte meinem Label Bambient Records dazu verhelfen, Plattenpressungen, Events und mehr Promo zu machen.
Das Gespräch führte Jan Soder.
Basler Pop-Preis
Die Nominierten: Sam Himself
bâlusique: Wie viele Päckchen am Tag muss man rauchen, um eine Stimme wie Sam Himself zu kriegen?
Keines. Ich bin gegen Tabakkonsum. [Nimmt einen Zug von seiner Zigarette.] Ich hatte immer schon eine tiefe Stimme. Das Rauchen hat es sicher noch vertieft aber: null Päckchen. Die beste Luft ist Alpenluft. Oder sagen wir zwischen null und zwei.
Wenn du und deine Band ein Getränk wärt, was wärt ihr?
Long Island Ice Tea. Sehr verschiedene, sehr hochprozentige Schnäpse, die zusammen etwas in kleinen Dosen Ungeniessbares ergeben.
Welches Kleidungsstück beschreibt deinen Sound am besten?
Ich hoffe, mein Stil präsentiert einiges an Garderobe. Nicht nur Socken oder eine Jacke für schlechtes Wetter, sondern auch einen Tuxedo, für eine Hochzeit oder eine Cap für wenn die Sonne scheint.
Was war der schönste Moment, den du bisher auf deiner Laufbahn erleben durftest?
Es gibt so viele Momente. Ich glaube viele Live-Momente. Nach Hause zu kommen und zum Beispiel die Plattentaufe hier im Parterre One spielen zu können. Oder der Pop-Preis. Nicht zum Schleimen, aber das ist sehr geil als Anerkennung und Endorsement der lokalen Szene. Und ich denke persönliche Nachrichten. Entweder in E-Mails oder nach einem Konzert, wenn mir jemand sagt, was ein Song für sie ist, wann sie den gehört haben, oder was er für sie bedeutet. Das geht schon tief. Davon kann man auch zehren in Zeiten, in denen man an sich zweifelt.
Was willst du mit deiner Musik vermitteln?
Am liebsten etwas Universales. Mal dieses, mal jenes aber auf eine Art, damit jemand, der nicht genau diese Erfahrung gemacht hat, die ich gemacht habe, sich trotzdem damit identifizieren kann und seine eigene Bedeutung hinzugeben kann. Es wird erst dreidimensional, wenn es jemand hört und entsprechend auch ihre oder seine eigene Bedeutung darin findet. Da habe ich wenig Einfluss darüber am Ende des Tages, I think.
Was vermisst du an der Schweiz jeweils am meisten, wenn du in den Staaten bist?
Meine Leute natürlich. Meine Familie und Freunde. Ich glaube auch das Leben auf der Strasse. Draussen sitzen und sein. Der öffentliche Raum ist sehr viel offener und demokratischer hier. Es gibt zum Beispiel nicht wirklich Bänke in New York ausser in Parks, weil es ein riesiges Problem mit der Obdachlosigkeit gibt. Du bist immer konfrontiert mit der krassen Schere dieser Stadt. Super reich, super arm. Hier ist die Mitte sehr viel grösser und dort kann man sich entsprechend begegnen.
Mit welchem Ort in Basel identifizierst du dich am meisten?
Ich habe das Kleinbasel natürlich sehr gerne. Jetzt wohne ich in Grossbasel. Ich hatte meine erste Wohnung im Sankt Johann, als ich von zu Hause ausgezogen bin und jetzt wohne ich wieder im Sankt Johann. Da habe ich einen speziellen Bezug zu diesem Quartier. Es gibt aber sehr viele sehr schöne Orte. Parks, Wolfsgottesacker, sogar das Dreispitz mag ich, auch wenn es nicht wiedererkennbar ist, seit wir unseren Bandraum dort hatten.
Wir nähern uns dem Jahresende. Was sind deine Ziele fürs 2023?
Wir spielen eine Tour. Da möchte ich, dass so viele Leute wie möglich kommen. Wir spielen hier in der Kaserne am 18. Februar. Mein Ziel ist, dass wir eine gute Tour haben und auch in Österreich und Deutschland gut ankommen. Ausserdem ist mein Fokus ist auf dem zweiten Album, welches am 27. Januar herauskommt. Ich hoffe, dass es resoniert mit den Leuten, dass sie Freude daran haben und wir es lange live spielen können.
Du sagst, das neue Album sei von neuen Anfängen inspiriert. Welche neuen Anfänge flossen denn genau in «Never Let Me Go» mit ein?
How much time have you got? Vielleicht macht das mehr Sinn im Kontext meines ersten Albums, das sehr geprägt war vom Schock von Covid und davon, dass ich mich entwurzelt gefühlt habe. Ich war in der Schweiz und konnte nicht nach New York zurück. Deshalb fühlte ich mich verloren und war sehr viel pessimistischer und isolierter als jetzt, wo sich die Welt wieder öffnet. Man kann wieder hin und her. Man kann wieder zusammen spielen. Es ist viel mehr uptempo, wenn man live aufnimmt. Zuvor habe ich alles im stillen Kämmerchen eingespielt. Dann auch neue Leute kennenlernen und sich auf die Zukunft einlassen. Der Schritt, der dann zum Albumtitel führt, ist so: «Fuck, ich hoffe, es ist so gut, wie es sich jetzt abzeichnet.» Es ist vielleicht auch ein wenig die Angst, alles, was ich in dieser Zeit gefunden habe, zum Beispiel auch die Anerkennung hier, wieder zu verlieren.
Wie würde das Preisgeld des Basler Pop-Preises deine zukünftigen Projekte beeinflussen?
Gigantisch! Ich würde meine Tour unterstützen können. Die Reise nach Deutschland und so, das kostet alles Geld. Ich würde natürlich neue Instrumente kaufen. Das ist immer meine liebste Art Geld auszugeben. Da habe ich auch schon eine kleine Liste. Ein solcher Geldbetrag macht mir einfach brutal den Rücken frei. Das klingt vielleicht ein wenig esoterisch, aber es ist fast das Wichtigste, als Musikschaffender. Dass du die Zeit und den Raum hast, auch mental, um an neuem Zeug zu arbeiten oder mal Gitarre zu üben. Ich finde es deshalb cool, dass auch die Nominierten Geld kriegen. So ist die Anerkennung gross.
Das Gespräch führte Jan Soder.
Basler Pop-Preis
Die Nominierten: La Nefera
bâlusique: Wenn du ein Getränk wärst, was wärst du?
Ein hausgemachter Eistee, weil der ist überall anders. Er ist vielseitig und hat etwas Überraschendes. Ich finde, ich bin auch ein wenig so. Ich überrasche mich manchmal selbst. Im Positiven wie auch im Negativen.
Welches Kleidungsstück beschreibt deinen Sound am besten?
Tanzschuhe. Ich glaube, am besten wären Sneakers.
Dein liebster Ausgangsspot in Basel?
Ich gehe nicht so viel weg. Ich finds cool wenn im Sommer Partys oder spontane Anlässe draussen stattfinden. Sonst für Konzerte zum Beispiel die Kaserne. Sie buchen recht interessante Acts. Unkonventionell, meistens nicht Mainstream.
Mit welchem Ort in Basel identifizierst du dich am meisten?
Am Rhein finde ich es ziemlich cool. Ich wohne nicht in der Stadt und wenn du dann dort bist, triffst du ganz viele Menschen, die vorbeilaufen. Dann siehst du plötzlich Leute, die du schon mega lange nicht mehr gesehen hast.
Was war der schönste Moment, den du bisher auf deiner Laufbahn erleben durftest?
Ich habe 2018 bei einem Austauschprojekt mitgemacht, das von der Kaserne lanciert wurde. Jasmin Albash und ich reisten als Vertreterinnen von Basel nach Palästina und haben mit zwei Sängerinnen von dort ein Projekt gemacht. Wir waren fünf tage in Ramallah, um an Songs zu arbeiten und dann waren sie fünf Tage hier und dann hatten wir schon den Gig. Ich glaube, ich war in meinem ganzen Leben nie so nervös. Wir haben Zettel mit den Songtexten auf den Boden geklebt, weil wir uns die nicht mehr merken konnten. Einfach das Ganze. Diese Reise, auf Leute stossen, die du gar nicht kennst, in so kurzer Zeit zusammen wachsen und das alles zusammen erleben. Der Prozess vom Schreiben und Komponieren und dann auf einer Bühne stehen mit so vielen Leuten. Das war sehr emotional.
Was willst du mit deiner Musik vermitteln?
So wie wir leben mit der ganzen Präsenz auf Social Media und so, ist alles nicht so richtig gelebt. Du kommunizierst übers Handy und vieles läuft so. Es findet gar nicht mehr analog statt. Ich finde, eine der wichtigsten Aufgaben der Kunst und der Musik ist es, die Leute wieder zu den Emotionen zu führen. Dass man wieder im Moment leben kann. Unser Set ist zum Beispiel sehr vielfältig. Wir wollen die Leute auf eine Reise mitnehmen und musikalisch packen, damit sie voll in diesen Moment, ins Hier und Jetzt, eintauchen können. Dass sie die Emotionen spüren können. Auch mal wütend sein, auch mal fröhlich sein und auch mal tanzen.
Du setzt dich unter anderem stark für Frauen in der Basler Musik- und Kulturlandschaft ein. Was erhoffst du dir diesbezüglich von der Basler Szene in der Zukunft?
Ich finde es cool, dass viele Junge kommen, die ein solches Selbstverständnis dafür haben, wer sie sind und was sie machen. Meine Generation hatte viel mehr mit Unsicherheiten zu kämpfen und mit negativen Selbstbildern, die man von aussen angenommen hat. Das finde ich schon eine schöne Entwicklung. Ich kann aber nicht pauschal sagen, ob die Wege einfacher geworden sind. Ich denke es hat sich sicher einiges getan, dass viel mehr Menschen sensibilisiert sind und deshalb besser darauf achten, beim Booking zum Beispiel. Trotzdem heisst es auch bei grösseren Festivals, die Qualität leide darunter, wenn man weibliche Acts bucht, weil sie nicht so gross und nicht so gut seien. Ich frage mich dann: Anhand von was misst man das? Sind es Streaming-Zahlen auf Spotify? Es hat wie einen Rattenschwanz hinter sich. Die Labels selbst sagen, dass es viele männliche Menschen gibt, die sich eher überschätzen und schnell zu einem Label gehen, während weibliche Menschen länger brauchen und denken, sie müssten zuerst das perfekte Produkt haben. Wieso denkt man dann, dass die Qualität leiden würde nur aufgrund der geringeren Erreichbarkeit? Deshalb finde ich, sollte man die Qualität anders definieren und nicht nur nach Streaming-Zahlen gehen und danach was sich am besten verkauft. Denn das ist nicht immer das Beste.
Dein letzter eigener Song ist schon wieder eine Weile her. Was steht bei dir in näherer Zukunft an?
Jetzt bringe ich mit der Brassband Error 404 eine EP raus und dann lösen wir diese Band leider auf. Ich hatte drei verschiedene Projekte und das ist einfach mega streng. Deshalb schliessen wir das bis Ende Jahr ab mit einer kleinen Tour und der EP, die wir aufgenommen haben. Parallel sind wir das zweite Album von La Nefera am machen. Wir haben jetzt etwas, das extrem dafür steht, was wir auch live bieten und wie wir uns geben wollen und das dieses neue Gesicht von La Nefera sehr gut darstellt. Da sind wir jetzt bis Ende Jahr im Studio am Aufnehmen und das Ziel ist, dass wir es im Herbst 2023 herausbringen. In der Zwischenzeit bin ich fünf Monate im Ausland und mache eine Artist Residency in Kolumbien, um andere Acts kennenzulernen, vielleicht Kooperationen, Featurings zu machen und dort Material fürs Album Nummer drei zu sammeln.
Wie würde das Preisgeld des Basler Pop-Preises deine zukünftigen Projekte beeinflussen?
Was ich merke, ist dass ich sehr gerne mehr audiovisuell arbeiten würde. Wir kommen da sehr an unsere Grenzen. Das Album, an dem ich arbeite hat viel mit dem aus sich Herauskommen, Self-Empowerment und dem Konfrontieren von Ängsten zu tun. Besonders wenn ich dann vor einem Publikum spiele, das kein Spanisch versteht, ist das ganze audiovisuelle, was rundum geschieht, die Szenografie und Bühne, und so noch wichtiger. Das ist so ein Traum von mir, dass ich das sehr gerne ausbauen würde und das ist halt eine Geldfrage.
Das Gespräch führte Jan Soder.
Basler Pop-Preis
Die Nominierten: Mehmet Aslan
bâlusique: Wenn du ein Getränk wärst, was wärst du?
Mate oder Apfelschorle. Ich glaube eher Mate. Die eine Marke mit dem schönen Design. Die kleine Flasche. Einfach wegen dem Design.
Welches Kleidungsstück beschreibt deinen Sound am besten?
So ein Jeans Gilet ohne Arme. Vielleicht noch mit ein paar aufgenähten Stickern. Coole Logos oder so etwas. Oder halt ein Anzug mit einem Hemd, das ein wenig altertümlich ist mit Mustern drauf. So ein gewisser Clash zwischen dem ganz Schlichten und dem Blumigen oder Pflanzenhaften mit Mustern. Diese Kombi. Ich glaube, das ist besser.
Dein liebster Ausgangsspot in Basel?
Es ist schwierig, sich auf etwas festzulegen. Ich mag zum Beispiel Renée als Bar zum Ausgehen. Sonst das Elysia als Club.
Welcher Ort in Basel bedeutet dir etwas besonderes?
Ich komme ja aus der Agglomeration. Ich komme aus Allschwil, wenn man das zu Basel zählen darf. Dort fühle ich mich sehr wohl. Der Allschwiler Wald, würde ich also sagen.
Was war der coolste Ort, an dem du bisher auflegen durftest?
In Basel war früher das Hinterhof immer ein spezieller Ort. Auf der Welt denke ich zum Beispiel in London an den Phonox Club. Dort hatte ich einige meiner besten Nächte. Die Leute sind sehr offen, ich konnte immer spielen was ich wollte und es hat sehr gut geklungen. Vielleicht noch dazu in Istanbul zum Beispiel Gizli Bahçe. Das ist ein sehr alter Club, wo auch jedes Mal eine mega gute Stimmung ist.
Was ist der wichtigste Aspekt in deinem post-Gig Ritual?
Ich versuche, mit den lokalen Leuten ein wenig Kontakt zu haben und vielleicht noch etwas zu trinken. Sonst ist es ein wenig schade, wenn man direkt abreist. Ich habe kein spezifisches Ritual, aber ich würde sagen Kontakt mit den Leuten vor Ort ist wichtig.
Was war der schönste Moment, den du bisher auf deiner Laufbahn erleben durftest?
Sicher immer sehr toll ist es, mehrmals an einen Ort eingeladen zu werden. Zum Beispiel an einem Festival wie «Nuits sonores» in Frankreich. Dass man dort eine Freundschaft aufbaut und diese weiterführen kann, das ist sehr schön. Dieser Aspekt generell ist etwas vom Schönsten. Dass man durch Musik Leute erreicht und Freundschaften entstehen können.
Was willst du mit deiner Musik vermitteln?
Wichtig für mich ist, dass man über mehrere Identitäten, Heimatorte oder Ortszugehörigkeiten sprechen kann. Ich versuche mich mit dem auseinanderzusetzen. Auch mit meiner eigenen Identität. Das ist eigentlich etwas relativ Globales. Bei manchen Menschen ist es stärker, bei anderen weniger, je nachdem, wie viele Sprachen man spricht. Das ist ein wichtiger Aspekt meiner Musik. Über diese multiplen Identitäten zu sprechen. Ich versuche das auch immer mit Track Titles. Wenn der Inhalt nicht so politisch ist, probiere ich mit den Liedernamen eine Message zu geben. Beim Album «The Sun is Parallel» dachte ich zum Beispiel, dass die Sonne etwas Verbindendes ist. Ich fand raus, dass dieses Sonnensymbol über viele Völker hinweg als gleiches Symbol gesehen wird. Es ist etwas Verbindendes und diesen Aspekt finde ich toll.
Du hast dein Debütalbum schon angesprochen. Was hat «The Sun Is Parallel» sonst noch inspiriert?
Die Idee zum Album kam durch meine Eltern in die Gänge. Sie haben mir erzählt, wie sie in die Schweiz gekommen sind und was sie für Schwierigkeiten hatten. Das hat mich sehr inspiriert. Ich wollte ihre Reise eigentlich in die andere Richtung machen. Ich wollte einen Roadtrip von der Schweiz in die Türkei machen, Sounds aufnehmen und etwas damit anstellen. Das hat dann aber wegen der Pandemie nicht funktioniert. Dann dachte ich, ich mache einfach ein Album. Das war so ein Element, das alles zusammengehalten hat. Auch den graphischen, visuellen Aspekt wollte ich erforschen. Ich habe elf Symbole gestaltet, für jeden Track eines. Sie sollen die verschiedenen Identitäten der Lieder zeigen. Es gibt Symbole, die eine ganz klare Bedeutung haben, aber es gibt auch Symbole, in die man einfach reininterpretieren kann und für sich selbst herausfinden kann, was es bedeutet. Diesen Aspekt fand ich spannend.
Wie würde das Preisgeld des Basler Pop-Preises deine zukünftigen Projekte beeinflussen?
Ich hab noch nicht wirklich darüber nachgedacht. Vielleicht das DJ-Setup endlich in Angriff nehmen. Ich benötigte nie eines, weil ich immer einfach aufgetreten bin. Es ist schon witzig. Man ist eigentlich professionell und hat Werkzeug, aber ich habe das einfach nicht. Mehr und mehr habe ich aber das Gefühl, dass ich dieses Equipment brauche. Das ist halt relativ teuer… Und wenn ich mit Band spielen werde, wäre es auch toll, wenn dafür etwas zum investieren vorhanden wäre. Ich mache mir jetzt aber nicht so viele Hoffnungen für den Pop-Preis, damit es keine Enttäuschung gibt. Aber natürlich ist es toll, nominiert zu werden. Einfach auch die tollen Worte vom Musikbüro über mich und dass anerkannt wird, was ich mache. Das ist schon toll.
Das Gespräch führte Jan Soder.
Bilder: Gaby Femenia
Debütsingle und live EP – das erste Kapitel von Juicy Lemon Club
Es ist ein warmer Spätsommerabend. Du sitzt irgendwo im Süden Europas an der Strandbar und schlürfst gemütlich deinen Cocktail, wobei deine Hand bei jedem Schluck durchs Kondenswasser des kühlen Drinks leicht nass wird. Du streichst sie dir an deinem geblümten Hemd ab, bevor du zur kleinen Schale mit gesalzenen Nüssen greifst. Die Beine, erschöpft von einem langen Tag am Meer, streckst du Richtung Sonnenuntergang, wo der Feuerball den Himmel orange färbt. Du lauschst der Musik. Doch wer spielt da? Der Hauseigene Juicy Lemon Club! Juan bringt auf seiner Snaredrum die Hüften zum Schwingen, Timon strahlt mit seinen Synthi-Sounds allen Zuhörenden ein Lächeln ins Gesicht, während Philippe passend zu seiner Bass-Line durch die Gegend hüpft und Berenice mit ihrer warmen Stimme und ihrem gefühlvollen Gitarrenspiel den Leuten tief in die Seele greift. Der saftig frische Sound ist das Tüpli auf dem i in Sommervibes.
Diesen Freitag ist mit «Colourful Underwear» die Debütsingle von Juicy Lemon Club erschienen. Doch wer sind die vier? Was kann man von ihnen und ihrer Musik erwarten? Und was treibt sie an? bâlusique hat mit den jungen Basler*innen gesprochen.
Angefangen hat alles mit einer Jam Session von Berenice und Philippe, die sich als Bandraumnachbar*innen und Chorkolleg*innen flüchtig kannten. Mithilfe von Looping-Technik haben sie die ersten gemeinsamen Klänge erzeugt. «Wir spielen heute noch Songs, die dort entstanden sind», erzählt Berenice. Nach weiteren Jam Sessions wollten sich die beiden schliesslich für einen Band Contest anmelden, wozu sie einen Drummer und einen Keyboardspieler benötigten. So kamen Juan und Timon hinzu und die Gruppe Berenice and the Nice Birds war gegründet. Schon nach relativ kurzer Zeit war jedoch ein neuer Name fällig. Nicht Frontwoman Berenice sollte im Zentrum stehen, sondern die ganze Band. «Es ist nicht nur meine Musik. Alle geben etwas dazu. Mittlerweile spielen wir auch nicht nur meine Songs, sondern wir schreiben zusammen oder andere bringen Songs.»
Ein genaues Rezept für die Entstehung dieser Tracks gibt es nicht. Oft bringt jemand eine Idee mit in die Probe. «Dann machen wir als Band etwas daraus. Es gibt genügend Inputs, sodass daraus etwas Neues wird», schildert Timon. Was genau jeweils daraus wird, ist nur schwer zu definieren. «Es ist nicht der aktuelle Pop, der im Radio läuft», meint Drummer Juan. «Wir würden es am liebsten gar nicht in ein Genre fassen», erklärt Timon, «aber wir müssen es ein Stück weit.» Während Juan den Sound als «Indie Pop mit einer guten Portion Funk aus den 70ern» beschreibt, ergänzt Philippe mit «Soul» und Berenice merkt an: «Es ist mehr nach hinten als nach vorne orientiert.» Aus den altbekannten Zutaten der 60er und 70er Jahre entsteht ein frischer Mix, der mit dem Zeitgeist aber voll mithält. Als moderne Inspiration zählen die vier Musiker*innen zum Beispiel Tom Misch, Vulfpeck und Parcels auf.
Gleichzeitig verfügt Juicy Lemon Club aber über einen ganz eigenen Charakter. Zentral ist dabei auch der Text, wie Berenice ausführt. «Es sind nicht einfach dumme Dictionary Rhymes, sondern Texte, die etwas bedeuten, in die man etwas interpretieren kann.» Aber auch «satte Grooves» seien essenziell, hängt die Sängerin und Gitarristin an. «Wir haben Spass daran zu spielen», findet Timon. «Wir haben Bock etwas zu spielen, das uns Bock macht.» So kann es auch mal sein, dass bei einem Live Auftritt eine Dubstep Einlage ihren Platz findet. Hauptsache Freude, denn das ist auch das, was die vier rüberbringen wollen. Zudem ist es ihnen wichtig, Ehrlichkeit auszustrahlen. Berenice meint, für sie sei jedes Konzert «ein ehrlicher Moment, wo du Leute einfach für eine Stunde in deine Seele schauen lässt.»
Ehrlich und authentisch ist auch die Debütsingle. Die Band nimmt kein Blatt vor den Mund: Es geht um Sex. Wer mehr wissen will, muss sich die Single anhören. Die (Vor-)Freude seitens der Band ist auf jeden Fall riesig. «Wir haben lange an der Demo gearbeitet, gingen ins Studio und haben aufgenommen, liessen den Song in den Abbey Road Studios mastern und haben noch lange daran gefeilt und noch im Nachhinein arrangiert», reflektiert Philippe. Nun ist die Single endlich draussen und der Aufwand wars absolut wert. Das Produkt spricht für sich. Auch Philippe zeigt sich stolz: «Ich höre das auf meiner Anlage und denke mir: Okay, krass. Bei einem solch professionell klingenden Projekt war ich noch nie dabei.»
Die Debütsingle ist aktuell nicht das einzige Projekt der Band. Schon Ende Herbst folgt ein nächster Release: vier Livesessions mit Video verpackt als EP. Zwei davon sollen als Singles schon im Voraus erscheinen. Die Kombination von Ton und Bild ermöglicht der Band, sich nochmals auf einer neuen Ebene auf der digitalen Bühne zu präsentieren. «Wir haben in einem Wohnzimmer aufgenommen und schöne Pflanzen hingestellt und so», verrät Philippe. «Es sieht echt cool aus.» Das Resultat zeichnet das bisher wohl präziseste Bild der Band. So meint Timon: «Wenn mich jemand fragt, was meine Band sei, würde ich ihm diese EP zeigen. Ich habe das Gefühl, sie ist schon sehr repräsentativ für diese Zeit, die wir jetzt zusammen verbracht haben.»
Obwohl mit «Colourful Underwear» das erste Kapitel von Juicy Lemon Club auf den Streaming Diensten erst gerade begonnen hat, soll dieses mit den Livesessions bereits wieder ein Ende finden. «Für mich hat es etwas Abschliessendes, denn wir spielen diese Songs jetzt seit einem Jahr. Wenn sie mal draussen sind, kannst du weitergehen. Dann kannst du sie zur Seite legen und etwas Anderes, Neues machen», erklärt Berenice. Philippe stimmt zu: «Wir haben in den letzten zwei Wochen schon mit komplett neuen Dingen begonnen und diese EP ist jetzt wie ein erstes Kapitel. Ein Abschluss davon.» Was im zweiten Kapitel Juicy Lemon Club folgt, ist noch nicht ganz klar. Eines ist aber fix, wie Juan verrät: «Wir wollen tolle Konzerte auf tollen Bühnen für tolle Leute spielen!»
Die nächste Möglichkeit auf ein solches Konzert bietet sich am Sprungbrätt Festival in Allschwil am 17. September. Bis dahin geniessen wir, was vom Sommer noch bleibt mit «Colourful Underwear» und freuen uns schon auf die erste Livesingle im November.
Bild: Fadri Wetzel
Florin + Florian = florias und sanften Singer-Songwriter Sound
florias zählt zu den vielversprechendsten Newcomer-Bands aus Basel. Wobei Newcomer dem Status, den das Duo um Florin Bürgler (Gitarre, Gesang) und Florian Eichenlaub (E-Bass, Cello, Gesang) in den zwei Jahren seit der Entstehung erlangt hat, kaum gerecht wird. Begonnen hatte es mit der EP «Uncertain», welche 2020 noch unter dem Namen Florin Bürgler erschienen war. Seither ist einiges passiert. Mehrere Namenswechsel, unzählige Auftritte, unter anderem im Sommercasino, an der BScene, am Imagine und am Pärkli Jam, eine Strassenmusiktour durch Europa, eine Finalteilnahme am bandXnordwest, Sieg des Singer-Songwriter Slams 2021 im Parterre One, zwei Singles und zwei Jahre, in denen die zwei Freunde, Florin und Florian, nochmal enger zusammengewachsen sind.
Auch wenn die beiden immer wieder sarkastisch behaupten, ihre Freundschaft sei ein reines Marketingkonzept, ist schnell zu spüren, dass sie mehr als bloss Bandkollegen sind. Als Florin aus unerfindlichen Gründen noch fähig war, Locken zu tragen, wurden sie ständig für Brüder gehalten. Jetzt werden sie immer wieder mal gefragt, ob sie ein Paar seien. Beides trifft nicht zu. Doch die Chemie zwischen ihnen ist sichtlich vorhanden. Ihre Freundschaft beschränkt sich mehrheitlich aufs Musizieren und aufs regelmässige Chillen im gemeinsamen Freund*innenkreis. «Wir sind nicht auch noch grossartige Tennis-Buddies», erklärt Florin. «Durchs Musikmachen verbringen wir unglaublich viel Zeit zusammen. Es bleibt gar nicht viel Platz für anderes.» Florian witzelt: «Jetzt merkt man, dass unsere Freundschaft nur ein Konzept ist.» Immerhin: Im neuen Bandraum jonglieren sie ab und zu zusammen Fussbälle.
Kennengelernt haben sich die beiden im Chor des Gymnasiums Münchenstein. Später hat Florin Florian einen Song zugeschickt und gefragt, was er davon haltet. «Er hat Gitarre gespielt und gesungen und ich fand es mega schön.» Da Florian gerade Cello und Bass zur Hand hatte, spielte er etwas darüber. «Er hat meine Songs von Anfang an musikalisch super ergänzt», erzählt Florin. Aus einem ausgeliehenen Mikrofon wurde dann Studiozeit im Bandraum von Eric Lochbrunner und daraus die erste EP «Uncertain». Diese erschien noch unter dem Namen Florin Bürgler. Bei Auftritten waren die Musiker aber stets zu zweit zu sehen. Folglich waren sie für kurze Zeit als Florin Bürgler im Duo bekannt, bevor sie den Namen zu Florin Vincent & Your’s wechselten. Die Andeutung von Frontman und Sidekick blieb vorhanden. «Uns wurde aber immer mehr bewusst, dass wir zusammengehören und dass dies auch im Namen geschehen muss.» So setzten sich die beiden eines Abends zusammen und nahmen sich vor, sich zu betrinken, bis sie einen zufriedenstellenden Namen fanden. Als die Idee vom jetzigen Künstler-Alias aufkam, waren die beiden noch nüchtern. Nun kennt man sie als florias. Eine Symbiose aus Florin und Florian, hinter der sich eigentlich kein tieferer Inhalt verbirgt. Für Kitschliebhaber haben sie sich im Nachhinein das Bild einer «erfundenen Blume, die berührt» ausgedacht, wie die zwei Jungs verraten.
Auch wenn der Name heute ein anderer ist, verläuft das Songwriting noch sehr ähnlich wie dazumal beim ersten Song. Florin entwickelt Ideen auf der Gitarre und dem Notizblock, leitet diese an Florian weiter und zusammen schmieden sie daraus bühnenreife Kompositionen. Die Grundbausteine kommen aber stets von Florin. «Das ganze Songwriting ist seins. Ich habe meine Ideen und Elemente, wie wir die Songs auf der Bühne performen, aber die reinen Ideen stammen von Florin», erklärt Florian. Durch diese Praktik wird die Singer-Songwriter-Ästhetik beibehalten. Der Bassist und Cellist beschreibt den Sound von florias als «Indie Folk, bei dem man spürt, dass er von einem Singer-Songwriter geschrieben wurde.» Florin unterstreicht: «Die Grundbasis bin ich mit Gitarre und das mischt den Singer-Songwriter-Sound in unseren Sound rein.» Gleichzeitig sieht er den Indie-Aspekt ihrer Musik weniger ausgeprägt. florias sei eher «Singer-Songwriter/Folk», wobei er eingestehen muss: «Die neuen Sachen haben schon auch Pop drin.» Die Skepsis gegenüber der Bezeichnung «Indie» kontert Florian lachend mit: «Ich möchte einfach Indie sein!»
Dass sich die beiden nicht ganz einig werden über die konkrete Definition ihres Sounds zeugt davon, dass florias nicht einfach in eine Schublade gesteckt werden kann. Schwer zu schubladisieren ist schon die Instrumentalzusammensetzung von Gitarre, Bass und Cello. «In Basel kenne ich sowas nicht», meint Florin. Alleine schon deshalb heben sie sich von anderen Basler Künstler*innen ab. Hinzu kommt der «minimalistische, authentische und pure» Charakter, der durch die intensive Strassenmusik geprägt wurde, wie die beiden Musiker ergänzen. Seit kurzem werden sie bei Auftritten von einer dritten Freundin, von Aline Thüring, an Drums und Keys verstärkt. Damit wurde eine Entwicklung in eine etwas neue Richtung angestossen, wie auch Florian anmerkt. «Ich finde, wir sind tanzbar geworden.» Bisher hat sich dies noch nicht auf die Kompositionen oder das Songwriting ausgewirkt. Doch den beiden scheint dieser rhythmische, tanzbare Charakter zu gefallen. Gut möglich also, dass dieser in den kommenden Jahren immer stärker zu spüren sein wird und sich die Jungs zurecht als tanzbar betiteln werden. Momentan wollen sie dieses Adjektiv aber noch nicht in ihre Beschreibung aufnehmen. Bei der Reduktion auf drei Worte, eine Challenge für jede Band, entschieden sich Florin und Florian nach kurzer Diskussion für «Melancholie, Freundschaft und Spielfreude». Drei Facetten, die auch bei ihren Live-Auftritten spürbar sind. Ob auf der Strasse, in Clubs, in Bars oder an Festivals. florias hat schon einige Publika begeistert. Ein Lieblingssetting haben sie aber nicht. «Alle sind auf eine eigene Art schön. Strassenmusik kann man nicht mit Festivalkonzerten vergleichen. Es gibt aber in jeder Kategorie Highlights.» Letztes Jahr reisten sie einige Wochen durch Europa und spielten auf der Strasse. Eine besondere Erinnerung schufen sie in Leipzig. «Dort gibt es einen riesigen Marktplatz. Wir spielten an einem Montagabend und plötzlich hörten 150 Leute zu. Das war wunderschön. Aus dem nichts kam Jonathan, ein Saxophonist, den wir nicht kannten, dazu und spielte mit.» Kurz darauf spielten sie an einer Open Mic Night in Leipzig, wo sie mit dem deutschen Singer-Songwriter Mayberg in Kontakt kamen. Eine Erfahrung, die sie so schnell nicht vergessen. «Uns hat einfach Mayberg zugehört!», erzählt Florian mit breitem Grinsen im Gesicht. Florin erinnert sich: «Später schrieb er uns auf Instagram: Cool, mag was ihr macht.» Einen speziellen Platz in den Erinnerungen von florias hat auch der Auftritt am Pärkli Jam Festival im Juni 2022.
An florias-Konzerten ist aktuell die brandneue Single «Midnight» zu hören. Sie kam im Juni als erste Single der gleichnamigen, bevorstehenden EP heraus. «Mitternacht an sich ist eine sehr interessante Tageszeit. Die einen liegen schlaflos im Bett und träumen, die anderen kommen vom Ausgang nachhause. Die einen wollen einschlafen, die anderen schlafen bereits. In Gedanken ist man aber noch am letzten Tag, aber die Uhr sagt, eigentlich sei schon heute», schildert Florin die Gedanken hinter dem Motiv der EP. Mitternacht sei eben eine sehr spezielle Uhrzeit. «Die fünf Songs thematisieren dies von unterschiedlichen Seiten.» Dem bereits veröffentlichten Titelsong soll im September die zweite Single folgen. Die komplette «Midnight» EP ist bereits fertigproduziert. «Sie ist im Kasten», wie Florian verrät. Als Ganzes wird sie aber erst im März 2023 zu hören sein. Bis dahin soll noch die ein oder andere Single erscheinen. «Das macht am Anfang einfach Sinn, viele einzelne Singles.» Und genau da sind sie noch: am Anfang. Aber nicht mehr lange. florias hat noch so einiges vor. «Auf Festivalbühnen tanzbare Melancholie verbreiten» steht zum Beispiel auf der Liste. «Nächstes Jahr würden wir sehr gerne noch mehr kleine Festivals spielen, wie wir es dieses Jahr schon ein wenig konnten.» Doch der Blick in die Zukunft der zwei Freunde geht noch weiter. «Mein grösster Traum wäre es, auf dem Floss zu spielen», gesteht Florian. Doch eines nach dem anderen. Jetzt steht erstmal «Midnight» an. Wenn es dann im März so weit ist, soll es auch eine ordentliche Plattentaufe geben. Vielleicht sogar im Sommercasino? Wer weiss…
«Wir warten nicht darauf, dass uns das Publikum etwas gibt. Wir gehen einfach von selbst ab.»
Vor 45 Minuten standen Los Tros Flamingos noch auf der Bühne. Jetzt sitzen die sechs Bandmitglieder in dieser Freitagnacht vor dem kHaus, reflektieren ihren Auftritt an der BScene 2022 und sprechen mit bâlusique über sich, ihre Musik und die Zukunft.
bâlusique: Wie fühlt ihr euch? Wie habt ihr den Auftritt erlebt?
Niško: Absolut genossen.
Joška: Geil!
Niško: Mit einem tollen Gefühl raus. Auch während dem Konzert.
Moritz: Die Leute haben sehr viel gegeben. Das war richtig schön.
b: Ihr habt schon grössere Konzerte gespielt. Ihr wart zum Beispiel mit Provinz auf Tour. Was bedeutet es euch hier an der BScene zu spielen?
Philippe: Es war voll speziell. Wir hatten uns eigentlich angemeldet für die Ausgabe 2020 und hätten einen Slot gekriegt. Wir hatten uns mega gefreut und dann wurde ein Monat vorher logischerweise abgesagt. Dann dachten wir, nächstes Jahr vielleicht, aber da war auch wieder nichts. Wir habe lange darauf gewartet, wieder an einem Festival in Basel zu spielen. Wir haben mal am JKF gespielt, gerade nach der Gründung und das war mega speziell. Jetzt die ganze Entwicklung mit Strassenmusik, immer grössere Konzerte gespielt, jetzt sogar zum ersten Mal in Deutschland auf Tour und dann wieder zuhause mit den eigenen Leuten an einem mega nicen Ort zu spielen…
Niško: Das hat auch eine ganz andere Bedeutung, weil man hier die Leute wirklich kennt. Ich war hier nervöser, weil ich das Publikum beeindrucken und überzeugen wollte von dem, was wir machen.
Philippe: Das grösste Konzert mit Provinz war vor 1500 Leuten und da ist man auch mega nervös, aber man kennt halt niemanden. Hier sind es die eigenen Leute, natürlich viel weniger, aber trotzdem ist die Nervosität fast grösser.
b: Zu Los Tros Flamingos allgemein: Wie würdet ihr euren Sound beschreiben?
Niško: Deutscher French-Pop mit Funk auf Deutsch und viel Energie.
Philippe: Ich würde sicher sagen Disco-Einflüsse, Funk-Einflüsse, French-House-Einflüsse und textlich von dieser deutschen Faber-Annenmaykantereit-Von Wegen Lisbeth-Generation beeinflusst.
Joška: Jedes Bandmitglied hat eigene, unterschiedliche Vorstellungen von Musik, die wir selbst hören und die wir nice finden. In der Band ergibt das einen Pool, wo alles zusammenkommt.
b: Habt ihr nie Konflikte, wenn ihr zu sechst die unterschiedlichen Vorstellungen unter einen Hut bringen müsst?
Philippe: Safe. Die ganze Zeit.
Joška: Ich finde, es lebt auch ein wenig davon, dass man nicht immer gleicher Meinung ist. Manchmal haben wir sehr lange Diskussionen, aber meistens kommt auch etwas Gutes dabei raus.
b: Wie würdet ihr euch als Gruppe, als Menschen beschreiben?
Alle: (lachen)
Philippe: Jung, cringe, … (lacht)
Moritz: Wir machen einfach unser Ding. Jetzt auch schon länger. Es gibt viele, die das nicht so fühlen, aber es gibt auch die, die es fühlen und das ist nice.
Joška: Ich glaube, wir haben auch Spass daran, Dinge zu tun, die man eigentlich nicht macht oder die ein wenig peinlich sind, objektiv gesehen. Wenn wir so in der Gruppe sind, driften wir völlig weg von der Welt. Wenn wir manchmal ein Wochenende zusammen in den Ferien sind, können wir nicht mehr mit anderen Menschen normal reden, weil wir eine eigene Sprache entwickelt haben und alles Mögliche.
Philippe: Am Anfang hat es voll von dem gelebt. Vom ersten Auftritt an gingen wir voll ab auf der Bühne. Scheissegal, ob es zwei Leute im Publikum hatte oder hundert. Irgendwie hat sich das immer weiterentwickelt. Wir haben dann halt auch auf der Strasse gespielt in Spanien, Frankreich, Italien, Deutschland. Da kommst du auf einen Platz und da sind Leute, die vorbeilaufen, und du musst die packen und dahinfesseln, damit sie dich wahrnehmen.
Niško: Wenn du auf der Strasse in Basel spielst, kennt du die Leute, die vorbeilaufen. Da darfst du wirklich keine Fucks geben, denn du machst da irgendwas Komisches auf der Strasse.
Joška: Jedes Mal, wenn wir auf einen Platz kommen, wissen wir, wir müssen jetzt Instrumente aufstellen und wir sind nicht einfach Strassenmusiker, die ein schönes, leises Instrument spielen. Wenn wir nachher spielen, kann man auf diesem Platz nicht mehr normal reden, weil es enorm laut ist. Es ist immer noch jedes Mal, wenn wir Strassenmusik machen, so, dass wir denken: «Oh fuck! Ich glaube, wir sind viel zu laut. Wir stören sicher alle.» Aber wenn man dann spielt, ist es immer geil. Diese Erfahrung, dass wir jedes Mal denken: «Das wird sicher scheisse,» und trotzdem kommt es immer gut raus, gibt uns die Einstellung: «Wir warten nicht darauf, dass uns das Publikum etwas gibt, sondern wir gehen einfach von selbst ab.»
Timon: Ich finde etwas vom Belohnendsten ist, wenn Leute, von denen man denkt, dass sie es nicht so fühlen werden, kommen und voll abgehen und nachher noch sagen, dass es voll cool war. Zum Beispiel bei der Strassenmusik habe ich mal einen Familienvater gesehen, der total abgegangen ist. Ich dachte mir: «Voll nice! Für diese Leute mach ich das.» Für mich ist das das Belohnendste und ich glaube, für die anderen auch.
b: Ihr macht schon recht lange Musik. Älteres Material habt ihr auf Spotify und Co. Wieder gelöscht. Wieso das?
Philippe: Das war sehr lange ein Thema. Das war so vor den Provinz Konzerten. Da kam die Idee, dass diese Songs zwar lustig sind aber überhaupt nicht mehr das, was wir spielen. Weil wir auch wussten, bei Provinz werden Leute da sein, die die Grössten im deutschen Musikbusiness sind, wollten wir auch eine gewisse Seriosität vermitteln und nicht: «Wir sind eine lustige Band, die ihre Platte nach einem Plüschtier benennt.» Das hatte wenig damit zu tun, dass wir das selbst nicht mehr gefühlt haben, sondern dass das eine Ära war, die nicht mehr ist. Für uns gibt es das immer noch, aber man kann es halt nicht mehr auf Spotify hören.
Joška: Wir haben sehr lange darüber diskutiert und schlussendlich haben wir es so gelöst, dass wir, glaube ich, die Sachen auf SoundCloud geladen haben oder laden werden. Die Idee ist schon, dass man das noch hören kann. Es ist nicht so, dass uns das peinlich ist oder so. Es gibt auch 200 Vinylplatten davon. Ich höre die immer noch gerne. Aber es entspricht halt nicht mehr dem, was wir heute machen. Der «Flamingo Roll»-Song läuft uns zum Beispiel ständig nach und wir haben nicht mehr so Lust, den zu spielen. Wir haben ihn schon so oft gespielt. Wir wollen den Leuten neue Sachen zeigen.
b: Gibt es bald etwas Neues?
Moritz: Eigentlich sollte es schon lange… (lacht)
Philippe: Nein, also wir sind auf jeden Fall an neuem Zeug studiomässig dran. Wir spielen Sets von komplett neuen Songs, von denen nur knapp die Hälfte auf Spotify zu hören ist. Es ist geplant, dass wir uns bald wieder aufs Studio konzentrieren. Wir haben schon einen Grundriss einer EP mit vier Songs, die den Start einer neuen Ära für uns einläuten. Auch musikalisch. Wir arbeiten jetzt an der Pre-Production, aber ins Studio geht es dann wahrscheinlich erst im Mai/Juni.
Joška: Songs haben wir eigentlich sehr viele Neue. Das war bei uns nie ein Problem. Wir hatten immer viele neue Songs. Was nicht so unsere Stärke ist, ist diese dann aufzunehmen, damit es so rüberkommt wie am Konzert. Auch im Proberaum gehen wir immer mega ab und haben voll die Party. Es ist enorm schwierig, diese Stimmung auf eine Aufnahme zu bringen. Wir haben viele neue Songs, aber bis diese auf Spotify sind, ist es immer ein sehr langer Prozess. Oft scheitert der auch, und irgendeinen Song haben wir zwar aufgenommen, aber sind nicht zufrieden und dann verschwindet er wieder.
Philippe: Wir hatten eigentlich ein Debüt-Album-Projekt Ende 2020, wo wir tatsächlich ein Album aufgenommen hatten. Aber dann haben wir gemerkt, dass das eigentlich gar nicht mehr das ist, was wir gerade fühlen und dann haben wir es gar nicht rausgebracht. Keinen einzigen Song davon. Wir dachten, wir wollen uns erst ein wenig finden, uns definieren, bevor wir sowas raushauen. Jetzt denke ich, sind wir auf jeden Fall viel weiter in diesem Prozess.
b: Was sind langfristig eure Ambitionen? Wo wollt ihr noch hin?
Philippe: OpenAir St. Gallen, Gurten, …
Alle: (lachen)
Moritz: Das sind schon Ziele, Träume, vielleicht auch umsetzbare Träume. Aber vor allem Ziele. Ambitioniert rangehen und möglichst viele Leute mit unserer Musik beglücken.
Joška: Voll. Und schlussendlich halt auch Spass daran haben, dass wir viele Dinge erleben, bei Konzerten Leute kennenlernen. Oder auch Dinge wie gemeinsame Sommerferien, in denen wir Strassenmusik machen in anderen Ländern. Das ist auch mega cool, da geht man einfach rum und lernt viele Leute kennen. Wir haben auch schon crazy Musiker kennengelernt, die uns zugehört haben und uns zum Nachtessen eingeladen haben und dann haben wir gemerkt, das ist irgendein berühmter israelischer Künstler. Diese Erlebnisse sind auch ein Grund, wieso man es macht.
b: Wollt ihr noch etwas beifügen?
Philippe: Es war ein kranker Auftritt! Wirklich sehr geil!
Joška: Basel - geile Stadt. (lacht)
Timon: Immer, wenn man wieder so auf der Bühne steht und sieht, das Publikum geht ab, dann weiss man, wofür man probt, Zeitpläne für die Band verschiebt und Dinge absagt. Dann weiss man wieder, wofür man es macht.
Sam Lundíns kleines Herzensprojekt
Man kennt ihn als Mitgründer und Drummer der schönsten Boyband Basels, doch nun startet Sam Lundín nebenbei auch noch sein eigenes Ding. Ende Februar kam die Debütsingle «Ella» (spanisch für sie) raus. Schon sehr bald soll die EP «Gestern wird alles besser» folgen. Wieso wagt Sam den Alleingang? Wovon handeln die neuen Songs und wie sind sie entstanden?
Der 22-jährige Sam Lundín hat schon immer gesungen und Texte geschrieben. Letzteres auch für seine Band Nomuel. Als Schlagzeuger ist das Singen dort allerdings kein Thema. Die angestauten Texte müssen also sonst wie raus. Die Folge: ein Soloprojekt. «Es ging mir prinzipiell darum, diese Texte rauszubringen. Ich habe Dinge aus meinem Leben, meinen Alltag, in diesen Texten verarbeitet. Es war mir wichtig, meine Freunde und andere daran teilhabenzulassen.» Die Texte, von denen Sam spricht, entstanden teilweise bereits vor drei bis vier Jahren. Bei der aktuellen Single «Ella» handelt es sich beispielsweise um eine längst vergangene Liebesgeschichte, wie er verrät. «Das Schreiben des Texts half mir, diese Geschichte zu verarbeiten.»
So entstand in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Texten, von denen es nun vier in musikalischer Form auf die EP geschafft haben. «Der Sound ist von Song zu Song unterschiedlich.» Mal Cro, mal Bruckner, mal James Gruntz, aber stets: Sam Lundín. «Es begann [mit «Ella»] mit etwas sehr Ruhigem, nur Gitarre, fast schon etwas Singer-Songwriter mässiges. Der nächste Song, der erscheint, ist richtig ausproduziert. Matze hat aufgenommen, wie er Bierdosen öffnet oder Papier auf dem Tisch hin und her wischt. Dazu kommen Piano, Saxofon, alles Mögliche.»
Es gilt anzumerken, dass «solo» eigentlich nicht ganz die korrekte Bezeichnung für Sams Projekt ist, denn eng an seiner Seite steht der eben erwähnte Matze alias Matif. Zusammen haben die beiden bereits Mitte Februar die Single «Meerkind» veröffentlicht. Dabei handelt es sich jedoch um einen Track von Matif, auf dem Sam Lundín bloss als Feature zu hören ist. Bei Sams bevorstehender EP ist die Sache etwas anders. «Er ist bei mir nicht ein Feature. Er hat eine gleichwertige Position, deshalb kommt alles unter beiden Namen raus.»
Matif (links) und Sam Lundín (rechts)
Matif ist für die musikalische Umsetzung der Songs zuständig, während Sam die Texte schreibt und singt. «Ich rede aber trotzdem stark beim musikalischen Teil mit. Ich komme mit einer klaren Vorstellung zu Matze und er ist derjenige, der sie verwirklicht.» Ohne Matif hätte das Projekt nicht in diesem Rahmen entstehen können. Er ist derjenige, der Sams Skizzen mithilfe seiner eigenen Ideen und seines Know-hows zu fertigen Songs schmiedet. «Ich bin nicht so talentiert in Melodieinstrumenten», verrät Sam lachend. Dass die beiden zusammen Musik machen, ist eigentlich eher Zufall. «Ich lernte Matif an einer Geburtstagsparty kennen. Ich kam mit ihm ins Gespräch und wir fanden: «Komm, lass mal jammen.» Dann ging das recht schnell. Beim ersten Jam fanden wir: «Komm, lass uns etwas aufnehmen» und in seinem Schlafzimmer produzierten wir dann unser erstes gemeinsames Stück Musik.»
Auch die vier Songs, die auf der EP zuhören sind, wurden alle in Matzes Schlafzimmer produziert. Fertig waren sie bereits etwa vor einem Jahr. «Aber so, dass man sie nicht hätte veröffentlichen können. Es fehlten überall noch Details.» Dann kamen bei Sam Maturprüfungen dazwischen und nebenbei standen mit Nomuel die erste EP und eine kleine Tour an. Das Soloprojekt wurde auf Eis gelegt. Das schliessliche Auftauen und Fertigstellen war eine spontane Aktion. «Plötzlich anfangs Januar fand ich: «Hey Matze, wollen wir das nicht schnell fertig machen und rausbringen?» und here we are.»
Die nächste und letzte Single soll am 18. März erscheinen und wenige Wochen später soll die komplette EP mit allen vier Songs zu hören sein. Ob die beiden auch mal live zu hören sein werden, ist noch unklar. «Sicherlich irgendwann, aber wahrscheinlich im kleinen Rahmen. Geplant ist noch nichts.» Bestimmte Ziele gibt es für Sam Lundín generell nicht. «Für mich ist es ein kleines Herzensprojekt, das mir zwar wichtig ist, von den Texten her und dass es draussen ist, aber es ist nicht so, dass ich Wert darauflege, dass es durch die Decke geht. Es ist für die Leute, die es gerne hören wollen und die sollen es hören.»
Bild: Samuel Bosshardt
«Bizli weird, liideschaftlich, demokratisch» - Das sind die Weird Fishes
«Bizli weird, liideschaftlich und demokratisch». Mit diesen Worten beschreibt sich eine der vielversprechendsten jungen Bands in Basel. Ihr Sound lässt sich nicht in ein Genre kategorisieren. Verzerrte Rock-Gitarren und Alternative-Kompositionen prägen den ersten Eindruck der Weird Fishes. Doch die Jazz Hintergründe der fünf Mitglieder sind beim zweiten Hinblick nicht zu überhören. Sie selbst schreiben auf ihrer Webseite: «Während starke und wuchtvolle Passagen mit verzerrten Sounds und anhaltender Spannung eine düstere Realität des Lebens einfangen, erinnern befreiend schwebende Atmosphären an die unbefleckte Naivität des Träumens.» Nach dem Debütalbum letzten September steht nun das nächste Projekt für die jungen Basler an.
Allesamt waren sie am Gymnasium Leonhard und belegten das Schwerpunktfach Musik. Die Saxophonistin Lisa, der Pianist Max und Lucas, der Drummer, hatten dazumal schon ein Jazz Trio. Nach einem Musical stiess Katharina, die Sängerin, dazu. Nachdem sich die vier von der obligatorischen Schulband absplitten durften, kam Konstantin, der Gitarrist, dazu. «Wir bekamen ziemlich schnell einen Gig, weil uns jemand an der Schule gesehen hatte. Dann mussten wir für diesen Gig dringend einen Namen suchen und so entstanden wir als Weird Fishes.», erzählt Katharina. Der Name kommt vom Radiohead Song. Aber «es ist nicht nur der Name», wie die Sängerin verrät. «Grundsätzlich kann man schon sagen, dass sich unsere Musikgeschmäcker im Verlauf der Jahre stark verändert haben, aber Radiohead war schlussendlich ein stetiger Begleiter», ergänzt Konstantin. Am Anfang seien sie noch mehr eine Funk Band gewesen. «So jazzy, funky und so», meint Lisa. «Alle bringen unterschiedliche musikalische Interessen und einen unterschiedlichen Werdegang. […] Ich glaube gerade früher hat man das noch mehr gemerkt. Wir haben uns in allem mal irgendwie ausprobiert.» So richtig ernst wurde es für die fünfköpfige Band laut Konstantin an dem Punkt, «an dem wir anfingen, selbst Songs zu schreiben.»
Beim Songwriting zählt für die Weird Fishes vor allem eines: Alle sind beteiligt. «Wir bezeichnen uns gerne als demokratischste Band Basels», verrät Konstantin mit einem Grinsen. Der Grossteil dieser demokratischen Songs entsteht in den Bergen. Dort können die fünf Musiker:innen abschalten und ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Das Studio, das sie sich jeweils einrichten, verfügt über eine grosse Fensterfront. Dadurch würden sie sich stark vom Wetter beeinflussen lassen. Katharina erzählt: «Dann hat es da so geregnet und so kamen irgendwie diese Chords [von «The Unborn»] zusammen.» - «Ich sehe jetzt noch diesen Regen vor mir, wenn wir den Song spielen.», fügt Lisa an. Aufgrund des Einflusses des Wetters kann es auch gut mal passieren, dass ein Song entsteht, der um einiges düsterer ist, als es die Erscheinung der fünf Mitglieder erahnen lässt. Sie sind bunter und fröhlicher als viele ihrer Texte, die auch mal ziemlich erdrückend sein können. Die Weird Fishes würden halt auch aktuelle Weltprobleme, wie zum Beispiel das Gefühl von Ohnmacht in einer immer schnelleren Welt, thematisieren, wie die Saxophonistin anmerkt.
Im Sommer 2020 erschien «An Occidental Dream», das erste Album der Band. Die sechs enthaltenen Songs überzeugen durch komplexe Kompositionen, emotionale Akkordfolgen, melancholische Melodien und tiefgründige Texte. Dass das Projekt trotz dem berüchtigten Coronavirus zustande kam, sei Glückssache gewesen. «Am Tag, als der Bundesrat den ersten Lockdown bekannt gab, hatten wir noch das Fotoshooting.» Die Aufnahmen hatten sie bloss wenige Tage zuvor beendet. Das Album konnte also noch vor den grössten Einschränkungen des Kulturlebens beendet werden, doch die geplante Plattentaufe und der Release mussten verschoben werden. Dass sie im September noch einen neuen Termin gefunden hatten, schreibt Konstantin ebenfalls dem Glück zu. Obwohl mit «An Occidental Dream» am Schluss fast alles gut ging, hat die Band trotzdem unter Covid-19 gelitten. Für das Debütalbum haben sie tief in die Tasche gegriffen in der Erwartung, es komme später wieder Geld durch Auftritte rein. Da diese aber wegfielen, gerieten die Weird Fishes etwas in finanzielle Schwierigkeiten. Doch diese schränkten die Kreativität der Band nicht ein. Im Gegenteil.
Schon bald soll das nächste Projekt an die Öffentlichkeit kommen. Es handle sich um eine Single Collection, verraten die Mitglieder. Die vier Songs werden wenig Zusammenhang haben. Es wird kein zweites Album, sondern eben «bloss» eine Sammlung an Einzelstücken. Unter anderem wegen dem finanziellen Engpass, verzichtet die Band bei diesem Projekt auf einen externen Produzenten. Stattdessen mischt Konstantin die Songs ab. Dies erlaube mehr Möglichkeiten zum Experimentieren, «weil [Konstantin] nicht so viel verlangt wie andere Produzenten», wie Lisa lachend anmerkt. Zudem verleihe es den Songs etwas Persönlicheres. Da der Sound weniger von Dritten beeinflusst wird, kann die bevorstehende Collection die Weird Fishes noch authentischer rüberbringen. Auch das Cover wird alles andere als gewöhnlich sein. Jedes Mitglied designt eines der fünf Titelbilder. Davon sind vier für die Singles und eines für die Collection als Ganzes. Man kann vom kommenden Release also vor allem eins erwarten: mehr Weird Fishes als je zuvor.
Bild: Ina Egger
Wenn aus Freundschaft Musik entsteht – Ein Interview mit der Basler Band Nomuel
Was sich vor etwa acht Jahren aus Noah Tran und Samuel Schneider zusammensetzte, ist mittlerweile eine sechsköpfige Band, die nicht nur in Basels Jugendszene bekannt ist. Die Spotify Statistiken sind beeindruckend, doch das ist den Jungs von Nomuel nicht so wichtig. Zuoberst steht für Noah, Samuel, Paul, Gian, Vale und Pablo das Beisammensein. Sie haben schon so einige Basler Lokale und Festivals bespielt und dies, obwohl sie erst drei Songs herausgegeben haben. Doch letzteres soll sich noch dieses Jahr ändern. Im Sommer steht die erste EP an. Ich habe mit Noah und Samuel über Nomuels Ursprünge, das Musikersein und die Zukunft der Band gesprochen.
Wie kam Nomuel zustande?
Samuel: Wir haben zu zweit angefangen. Wir waren zusammen in der Musikklasse in der WBS und haben nebenbei begonnen Musik zu machen. Irgendwann wollten wir eine Band gründen, aber niemand wollte mitmachen. Wir wollten eigentlich eine Band mit Gian und Vale gründen, die jetzt bei uns dabei sind, aber sie wollten nicht.
Noah: Damals waren wir noch nicht cool genug (lacht).
Samuel: Und dann kam irgendwann Paul dazu, der auch französisch singt und alle Instrumente spielt (lacht). Dann ging es so weiter. Es kamen immer wieder Leute dazu und andere gingen. Dann kam irgendwann Laurin, der Cellist. Da waren wir zu viert und dann hat es richtig angefangen mit ersten Konzerten. Seit dem Sommer 2019 waren wir zu siebt. Pablo, der Saxophon spielt, kam dazu und Gian und Vale, die beiden Gitarristen. Dann hat Laurin die Band verlassen und jetzt sind wir noch zu sechst.
Wer sind eure grössten Einflüsse? Im Song «July» singt ihr zum Beispiel von David Bowie und Britney Spears.
Noah: Das kommt einfach im Text vor, aber das sind keine Einflüsse. Das war einfach ein Joke aber, ich weiss nicht, es ist stark am Wandeln. Das ist schon zum Problem geworden. Wir haben noch nicht so richtig unseren Musikstil gefunden. Wir bringen bald was heraus und das ist wieder komplett etwas anderes. Wir sind uns ständig neu am Ausrichten. In jeder Probe finden wir wieder etwas Neues, das wir cool fänden.
Samuel: Ich könnte jetzt nicht spezifisch jemanden nennen, der für uns ein Vorbild ist. Was interessant ist: Ein Einfluss ist Annenmaykantereit aber die singen zum Beispiel deutsch und wir singen gar nicht deutsch. Aber es geht vielleicht auch mehr ums Musikalische.
Noah: Tom Misch.
Samuel: Bei Paul ist es sicher Lomepal und so. Das sind französische Künstler, die sicher einen Einfluss haben.
Noah: Und jetzt neu finde ich Provinz oder Jeremias nice.
Samuel: Das sind halt alles Deutsche Bands.
Noah: Wir fühlen, glaube ich, schon mehr deutschsprachige Musik. […] Wenn ich so nachdenke, der Einfluss kommt, glaube ich, hauptsächlich aus Deutschland.
Samuel: Wir hören viel Verschiedenes aber irgendwo treffen wir uns immer. Es hat ein bisschen von allem.
Was hebt euch von anderen Basler Bands ab?
Samuel: Gar nichts eigentlich (lacht). […] Uns geht es darum, dass wir Spass haben und dass die Leute auch Spass dabei haben, wenn sie uns hören kommen. Dass sie danach nachhause gehen und einen guten Abend hatten. Klar ist es auch toll, wenn sie sagen: «Hey, mega nice Musik». Aber uns geht es nicht darum, dass jemand dort steht und sagt: «Fuck, war das ein geiler Gitarrenlick!», oder so. […] Das Einfache macht es manchmal auch aus.
Noah: Das coole ist glaube ich einfach, dass, obwohl Sämi und ich aus der einfachen Musik kommen, waren Gian, Vale und Pablo am Jazz Campus. Wenn wir das Theoretische brauchen, haben wir es. Aber das Einfache, Emotionale, was auch jemanden berühren sollte, sind für mich nicht sechs Key Changes, sondern das ist für mich die Melodie. Für das muss man nicht zehn Jahre Theorie gelernt haben.
Wie entsteht ein Nomuel Song?
Samuel: Am ehesten im Band Raum. Entweder Noah spielt etwas, was er gerade im Kopf hat am Piano oder Gian oder Vale spielt etwas auf der Gitarre und dann wird einfach mal improvisiert, dann wird gejamt. Wenn es geil wird oder wenn man ein bisschen ein Gerüst hat, wird das immer wie mehr verwirklicht. Wir haben, als wir 2019 am JKF gespielt haben, am Konzert einen Song gespielt, der drei Tage alt war.
Noah: Pauls Eltern hatten sich etwa eine Woche vor dem Konzert getrennt. Zwei oder drei Tage vor dem Auftritt waren wir im Band Raum und Paul war ein Häufchen Elend. Dann habe ich gesagt: «Hier nimm das Mikrofon. Wir machen jetzt einfach Musik und wir vergessen, was wir für Konzerte spielen.» So ist «Lapin Perdu» entstanden. Wir haben es am Konzert gespielt und es ist gut angekommen. Es sind solche Momente. Stücke entstehen bei uns nicht in drei Wochen, sondern in einer halben Stunde. «July» war auch in einer halben Stunde geschrieben.
Samuel: «July» ist während den Aufnahmen für andere Songs entstanden. Wir wollten den Song eigentlich gar nicht aufnehmen.
Noah: Den gab es gar nicht.
Samuel: Er entstand in der Pause, als einfach ein bisschen gespielt wurde. Die anderen Aufnahmen haben wir schlussendlich gar nicht verwendet.
Noah: Also eigentlich waren wir im Studio für ein Album, das es jetzt nirgends gibt. Das haben wir nie herausgebracht. Währenddessen kam «July» raus und dann sagten wir uns: «Weisst du was? Wir ficken auf das ganze Album und machen nur «July».»
Nach dem Jugendkulturfestival habt ihr gesagt, dass ihr im Winter 2019/20 ein Album aufnehmen wollet und letzten Sommer hätte eine EP rauskommen sollen. Was ist daraus geworden?
Samuel: Also «July» war eigentlich der Anfang dieser EP. Jetzt ist «Lapin Perdu» dazugekommen und im Sommer kommt der Rest. Das ist dann die langersehnte EP.
[…]
Noah: Es wird so herauskommen, dass es nicht so ist, dann und dann kommt die EP, sondern sie wird einfach plötzlich da sein.
Samuel: Also unser Ziel ist es, die EP 2021 noch rauszubringen. Geplant ist Sommer. Mehr sagen wir nicht.
Was ist das Schönste am Musikersein?
Noah: Das Gefühl, Leute berühren zu können. Das muss nicht mal ein Konzert sein. Mir ist das sehr wichtig, dieser Austausch. Einfach auch die Zeit zusammen, das schweisst aneinander. Wir haben mal zwei Konzerte an einem Abend gespielt.
Samuel: Wir kamen zum zweiten zwar eine Stunde zu spät (lacht).
Noah: Wir kamen zu spät, aber es war so intensiv und man ist so gestresst.
Samuel: Es ist ein grosser Stress, aber es ist halt auch nice, weil man so viel zusammen erlebt.
Noah: Es ist, glaube ich, einfach die Zeit miteinander unter Freunden. Das ist wie manche, die Sport machen oder malen.
Samuel: Andere haben ihre Mannschaft im Fussball und wir haben einfach unsere Band.
Wovon träumt ihr generell als Musiker?
Samuel: Also der Traum, ich glaube, da kann man auch gewissermassen von allen sechs sprechen, ist, davon leben zu können. Ob man das dann auch will, ist eine andere Frage. […] Konzerte spielen. Mit den Freunden Zeit verbringen und gleichzeitig durch Europa reisen zu können und Konzerte zu spielen. Egal ob es vor fünf Leuten ist oder vor zwanzigtausend. Das ist mir eigentlich egal. Es geht darum, eine gute Zeit zu haben und Musik zu machen.
Noah: Liebe verbreiten (lacht).
Samuel: (lacht) Love.
Noah: Love. Die Welt ist einfach so voller Hass. Das finde ich das Schöne an der Musik. Man kann die Leute für ein, zwei Stunden connecten. Egal welchen Ursprung man hat oder wie alt man ist. Man kann alle Leute an einen Ort bringen. Dieses Gefühl zu vermitteln, finde ich sehr schön. Das sollte auch so sein, immer. Das finde ich auch an Festivals so nice. Davon noch leben zu können wäre mega geil.
Nomuel in drei Worten?
Samuel: Also zuerst mal Freundschaft. Freundschaft ist ein sehr grosses Wort.
[…]
Noah & Samuel: Simpel, Freundschaft und Liebe.